Sprache auswählen

Band 5, Doppelheft 1+2, Oktober 2010, 304 Seiten

der Zeitschrift Hypnose - Zeitschrift für Hypnose und Hypnotherapie (Hypnose-ZHH)

Inhaltsangabe

  • Thomas Weiss und Wolfgang H. R. Miltner
    Kortikale Mechanismen hypnotischer Analgesie
  • Ulrike Halsband und Thilo Hinterberger
    Veränderungen der Plastizität im Gehirn unter Hypnose
  • Ernil Hansen
    Hypnotische Kommunikation – Eine Bereicherung im Umgang mit Patienten
  • Albrecht Schmierer
    Hypnose in der Zahnheilkunde: Geschichte, Organisation, Methoden, Praxis
  • Dirk Hermes
    Klinische Hypnose in der onkologischen und plastisch-rekonstruktiven Gesichtschirurgie
  • Marie-Elisabeth Faymonville
    Hypnose in der Anästhesie
  • Walter Tschugguel und Sabine Tschugguel
    Hypnose bei Patientinnen mit gynäkologischen Symptomen
  • Wolfgang Schulze
    Hypnose in der Palliativmedizin
  • Burkhard Peter
    Konstruktion von Symptomgestalt und Symptomträger: Zwei hypnotherapeutische Strategien bei chronischen Schmerzpatientent
  • Katharina Tigges-Limmer und Jan Gummert
    Hypnotherapeutische Interventionen in der Herztransplantation
  • Hansjörg Ebell
    Hypnose und Selbsthypnose als wesentliche Elemente der therapeutischen Kommunikation mit chronisch Kranken
  • Jochen Hefner
    Hypnose in der Medizin ist wirksam - Evidenz und Effizienz
  • Winfried Häuser
    Ist Hypnotherapie eine etablierte Behandlungsmethode in der Inneren Medizin?
  • Walter Tschugguel und Sabine Tschugguel
    Die Problematik des Wirksamkeits- und Effektivitätsnachweises der Hypnotherapie in Studien – Eine Anregung
  • Susanne Merl
    Hypnose in einer gynäkologisch-geburtshilflichen Notfallsituation.
  • Hansjörg Ebell
    Der Heidelberger Hypnoseprozess 1936: “Eine Frau sieben Jahre unter hypnotischem Einfluß. Eine schamlose Ausbeutung vor der Aufklärung?” Teil 2

Abstracts & Download

Thomas Weiss und Wolfgang H. R. Miltner, Universität Jena

Kortikale Mechanismen hypnotischer Analgesie
Hypnose-ZHH, 2010, 5(1+2), 9-31

These: Obwohl Hypnose seit Jahrhunderten eine etablierte Methode zur Reduktion von Schmerz darstellt und in vielen Bereichen der Medizin erfolgreich klinisch genutzt wird, gibt es keine allgemein anerkannte Theorie, wie unser Gehirn diese Fähigkeit ermöglicht. Die Übersichtsarbeit fasst hier aktuelle und eigene Arbeiten zusammen und versucht, kortikale Mechanismen hypnotischer Analgesie darzulegen. Darlegung der These: Einige Autoren nehmen an, dass hypnotische Analgesie eine Folge dessen ist, dass die Aufmerksamkeitsfokussierung des Hypnotisanden auf die Suggestionen des Hypnotiseurs die Verarbeitung noxischer Information blockiert, hypnotische Analgesie somit eine Folge von Ablenkung darstellt. Verschiedene Untersuchungen mit ereigniskorrelierten hirnelektrischen Potenzialen widersprechen jedoch dieser Annahme. Ablenkung geht mit einer Reduktion ereigniskorrelierter Potenziale einher, unter hypnotischer Analgesie werden jedoch eher unveränderte oder sogar verstärkte hirnelektrische Potenziale beobachtet. Die Suggestibilität der Versuchspersonen beeinflusst die Effekte von Ablenkung und hypnotischer Analgesie differenziell: Unter Ablenkung sind die Bewertung der Intensität und Aversivität der Reize und auch die hirnelektrischen Potenziale unabhängig von der Suggestibilität reduziert, jedoch profitierten nur hoch Suggestible von hypnotischer Analgesie mit einer reduzierten Schmerzbewertung. Ablenkung und hypnotische Analgesie basieren also auf unterschiedlichen Hirnprozessen. Folgerungen: Auf der Grundlage dieser und anderer Beobachtungen stellen wir die Hypothese auf, dass hypnotische Analgesie durch einen Status neuronaler Dissozia tion gekennzeichnet ist, d. h. durch einen veränderten Bewusstseinszustand, bei dem die gewöhnliche neuronale Kommunikation zwischen verschiedenen Hirnarealen gestört wird, deren synchrone Nervenzellaktivität für eine normale Schmerzwahrnehmung notwendig ist. So kann man während hypnotischer Analgesie zwar Aktivität in einzelnen Hirnstrukturen, die an der Schmerzverarbeitung beteiligt sind, unverändert nachweisen, aber die fehlende Kommunikation dieser einzelnen Strukturen untereinander führt nicht mehr dazu, dass am Ende das Gehirn die einströmende noxische Information zum Schmerzerleben zusammenfügt.

Schlüsselworte: Hypnose, hypnotische Analgesie, Aufmerksamkeit, ereigniskorrelierte Potenziale, ERP, Kohärenz, EEG, MEG, fMR

Ulrike Halsband, Universität Freiburg, und  Thilo Hinterberger, Universitätsklinikum Freiburg

Veränderungen der Plastizität im Gehirn unter Hypnose
Hypnose-ZHH
, 2010, 5(1+2), 33-50

Hintergrund und Ziele: Die Suche nach Hirnkorrelaten, welche Hypnose charakterisieren, ist ein spannendes Thema für die Neurowissenschaften. In den hiesigen Untersuchungen galt besonderes Interesse den neurobiologischen Grundlagen der Auswirkungen von Suggestionen und imaginären Prozessen in Hypnose. Methode: Mittels moderner Technisk wurden die Hirnkorrelate erfasst und sichtbar gemacht. Hierzu gehören die funktionelle Bildgebung (funktionelle Magnetresonanztomographie, fMRT und PositronenEmissionsTomographie, PET), sowie als neurophysiologische Messmethode die Elektroencephalographie (EEG). Ergebnisse: Das Gehirn reagiert auf Suggestionen in Hypnose anders als auf Instruktionen ohne Hypnose: Wenn Probanden in Hypnose suggeriert wurde, einen grauen Stimulus als farbig zu interpretieren (visuelle Illusion), waren mittels fMRT zeitgleich zu Aktivierungen im fusiformen Gyrus und im ACC (anterioren cingulären Cortex) bilaterale Aktivierungen im intraparietalen Sulcus nachweisbar. In Hypnose konnten bildhafte Assoziationen leichter gelernt werden, was bei Hochsuggestiblen mit nachweisbaren Veränderungen der Hirnaktivität einherging (PET). Als Beispiel einer suggerierten Bewegung wurden die neuronalen Mechanismen bei der Armlevitation untersucht. Die vom hypnotisierten Probanden subjektiv empfundene Erfahrung einer Fremdkontrolle der Bewegung korrelierte mit entsprechenden Veränderungen im EEG, insbesondere in senso-motorischen Regionen. Desweiteren konnten in einer tiefen hypnotischen Trance unterschiedliche Aktivierungsmuster im Vergleich zu einer leichten Trance festgestellt werden (Stufeninduktion). Diese Ergebnisse waren spezifisch für die Bedingung Hypnose nachweisbar und unterscheidbar von Veränderungen in der Hirnaktivität bei Meditation. Schlussfolgerungen: Mittels hypnotischer Suggestionen ist es möglich, den normalen Ablauf der Wahrnehmungsverarbeitung dahingehend zu beeinflussen, dass die für die hypnotisch induzierten Wahrnehmungsveränderungen verantwortlichen Hirnareale tatsächlich in Bereitschaft versetzt werden, diese optimal umsetzen zu können. Es gelang auf neurobiologischer Ebene nachzuweisen, dass der Wirklichkeitscharakter von Suggestionen durch hypnotische Trance gesteigert wird.

Schlüsselwörter: Hypnose, Suggestionen, neuronale Plastizität, EEG, fMRT, PET

Ernil Hansen, Universität Regensburg

Hypnotische Kommunikation – Eine Bereicherung im Umgang mit Patienten
Hypnose-ZHH
, 2010, 5(1+2), 51-67

These: Das medizinische Umfeld ist voller unbedacht negativer Suggestionen. Patienten sind dafür besonders anfällig, weil sie in vielen medizinischen Situationen, die sie als extrem erleben, oft in einer natürlichen Trance und damit erhöht suggestibel sind. Dieser Umstand kann jedoch ebenso für Positivsuggestionen genutzt und Methoden der Hypnotherapie können angewandt werden, auch ohne formale Hypnoseinduktion. Darlegung der These: Bei Patienten sind Zeichen für Trance beobachtbar, Negativsuggestionen lassen sich u.a. durch andere Formulierungen vermeiden, und Suggestionen zeigen auch ohne Hypnose Wirkung. Indirekte Suggestionen, Utilisation, Reframing, örtliche und zeitliche Dissoziation an einen „inneren Ruheort“, Metaphern und nonverbale Kommunikation inklusive Körperkontakte können benutzt werden, um Begleitung und Sicherheit zu vermitteln, Angst und Schmerz zu reduzieren, Belastungen und beängstigende Geräusche zu kompensieren, und den Patienten zu einer aktiven Nutzung seiner Coping-Strategien anzuregen. Beispiele: Ohne zusätzlichen Zeitaufwand lassen sich während einer Narkoseeinleitung Ängste vermeiden oder vermindern, bis der Patient lächelnd einschläft. Mittels kranialer Leitungsanästhesie, Begleitung und hypnotischer Kommunikation ist die Operation von Hirntumoren nahe dem Sprechzentrum als echte Wachkraniotomie durchführbar, ohne dass Medikamente die intraoperative Testung beeinträchtigen. Folgerungen: Die Erkennung und Vermeidung von Negativsuggestionen und die Anwendung hypnotherapeutischer Prinzipien und Kommunikation kann im Gegensatz zu formal induzierter Hypnose auf alle Patienten angewandt werden, um eine Verminderung von Angst und Schmerz und eine stärkere Nutzung eigener Ressourcen zu erreichen. Die Vermittlung sollte Teil der medizinischen Ausbildung werden.

Schlüsselwörter: Kommunikation, Suggestionen, Wachhypnose, Narkose, Wachkraniotomie

Albrecht Schmierer, Stuttgart

Hypnose in der Zahnheilkunde: Geschichte, Organisation, Methoden, Praxis
Hypnose-ZHH
, 2010,5(1+2),69-93

These: In den letzten Jahren hat Hypnose in der Zahnmedizin in den deutschsprachigen Ländern sowie in Frankreich, Belgien und Schweden einen großen Aufschwung erlebt. Im Gegensatz zur Medizin, in der die Entwicklung trotz besonders interessanter Einsatzmöglichkeiten zögerlicher verläuft, ist die zahnmedizinische Hypnose etabliert und wird in vielen Praxen und auch Universitäten eingesetzt. Darlegung: In der Zahnmedizin ist Hypnose besonders erfolgreich, weil sie bei den Grundproblemen Angst und Schmerz effektiv wirkt. Auch zur Behebung und Linderung von Unverträglichkeiten, Allergien, aversiven Reaktionen (wie z. B. Würgereiz) und Verspannungen durch Zähneknirschen wird sie erfolgreich eingesetzt. Die zahnärztliche Behandlung von Kindern wird durch Hypnose sehr erleichtert, sodass viele Behandlungen ohne Vollnarkose durchgeführt werden können. Standpunkt des Autors: Wir unterscheiden zwischen Hypnotherapie und zahnärztlicher Hypnose, auf die sich die meisten Zahnärzte beschränken. Zahnärztliche Hypnose hat zum Ziel, nach einer schnellen Induktion der Hypnose von zwei bis maximal fünfzehn Minuten Dauer in eine entspannte zahnärztliche Behandlung überzuleiten. Der Patient ist in einer Traumwelt, nimmt die vielfältigen aversiven Reize der Zahnbehandlung nur noch peripher wahr und deutet sie positiv um. Er verliert das Zeitgefühl und seine Angst, Medikamente wirken trotz erheblich kleinerer Dosierung länger, weil Stressreaktionen ausbleiben und die parasympathische Reaktionslage den Abbau verlangsamt. Hypnotherapie wird hingegen nur von wenigen, in psychotherapeutischen Verfahren speziell ausgebildeten Zahnärzten eingesetzt. Sie ist bei chronischen Schmerzen, psychosomatischen Projektionen auf Zahnbehandlungen, psychisch verursachten Prothesenunverträglichkeiten und extremen Würgereizreaktionen erforderlich. Folgerungen: Neben ihrer praktischen Anwendung wird die zahnärztliche Hypnose seit einigen Jahren auch wissenschaftlich erforscht. Sie wird sich auf Dauer als normales Werkzeug in der zahnärztlichen Praxis etablieren.

Schlüsselwörter: Hypnose, Zahnmedizin, Induktionstechniken, Zahnbehandlungsangst, Hypnoanästhesie

Dirk Hermes, Universität Lübeck

Klinische Hypnose in der onkologischen und plastisch-rekonstruktiven Gesichtschirurgie
Hypnose-ZHH
, 2010, 5(1+2), 95-109

These: Onkologische und plastisch-rekonstruktive Eingriffe im Gesichtsbereich sind überwiegend mehrschrittige, technisch in Lokalanästhesie durchführbare Operationen, die mit erheblichem OP-Stress für die Patienten verbunden sind. Die zu Behandelnden sind zumeist älter und können erhebliche somatische Vorerkrankungen aufweisen. Klinische Hypnose kann gerade bei solchen Patienten intraoperativ zu einer nicht-pharmakologischen und nebenwirkungsfreien Angstminderung, Distanzierung und Entspannung genutzt werden. Darlegung der These: Der Autor wendet seit 2002 regelmäßig Hypnose an. Alle Aspekte der intraoperativen Hypnotherapie (z.B. Information, Seeding, Induktion, Utilisation, Aufrechterhaltung der Trance, Dehypnose) lassen sich ohne technischen/organisatorischen Aufwand in den chirurgischen Behandlungsablauf integrieren. Die Behandlungsbedingungen werden sowohl für Patienten als auch Behandlungsteam erheblich verbessert. Positive Verfahrenseffekte lassen sich mittels valider chirurgischer Studien überprüfen. Standpunkt des Autors: Hypnose hat sich bei gesichtschirurgischen Operationen in Lokalanästhesie als eine mit hoher Patientenakzeptanz versehene und sehr effiziente therapeutische Option erwiesen. Folgerungen: Hypnose ersetzt etablierte pharmakologische Verfahren nicht, sondern ergänzt diese um eine wertvolle Alternative. Nicht nur die Patientenzufriedenheit, sondern insbesondere weitere Studienergebnisse könnten helfen, die Verfahrensakzeptanz auf Seiten von Chirurgen zu erhöhen.

Schlüsselwörter: Hypnose, Lokalanästhesie, Gesichtschirurgie, Plastische Chirurgie, Anxiolyse

Marie-Elisabeth Faymonville, Université de Liège, Belgien

Hypnose in der Anästhesie
Hypnose-ZHH
, 2010, 5(1+2), 111-120

These: Hypnose kann sehr effektiv und sinnvoll bei Operationen eingesetzt werden.

Darlegung der These: Während Hypnose ursprünglich die einzige Möglichkeit war, Patienten chirurgische Eingriffe erträglicher zu machen, geriet sie mit Aufkommen der medikamentösen Anästhesie in den Hintergrund, um heute zur Ergänzung von Lokal-, Regional- und Allgemeinanästhesie wieder zunehmend verwendet zu werden. Dies ist auf ihre wissenschaftlichen Grundlagen und die günstigen Effekte auf Angst, Schmerz und autonome Funktionen zurückzuführen. Eine Reihe von Publikationen beschreibt unterschiedliche Anwendungen von Hypnose und Suggestionen bei operativen Eingriffen. Standpunkt der Autorin: Seit 1992 haben wir an der Universitätsklinik von Lüttich ein neues Anästhesieverfahren, die „Hypnosedierung“, bei mehr als 7500 chirurgischen Eingriffe angewandt. Bei der Hypnosedierung ist die Hypnosetechnik mit einer leichten Wachsedierung kombiniert, die Chirurgie wird dann unter Lokalanästhesie ausgeführt. Folgerungen: Der große Vorteil eines solchen Verfahrens ist die Vermeidung eines pharmakologischen Komas, wie es eine Vollnarkose darstellt. Die Patienten fühlen sich sicher und wohl, bekommen sehr wenig Medikamente, erholen sich viel rascher und haben mit diesem Anästhesieverfahren weniger Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen oder Müdigkeit nach einer Operation.

Schlüsselwörter: Hypnose, Hypnosedierung, Chirurgie, Lokalanästhesie

Walter Tschugguel, Medizinische Univeristät Wien, und Sabine Tschugguel, Universität Wien

Hypnose bei Patientinnen mit gynäkologischen Symptomen
Hypnose-ZHH
, 2010, 5(1+2), 121-144

Inhaltlicher Umfang: Systematische Analyse von 23 Publikationen über mögliche therapeutische Effekte von Hypnose bei Patientinnen mit gynäkologischen Symptomen. Zeitrahmen der Veröffentlichungen: 1950-2009. Herkunft der Veröffentlichungen: Pubmed, EMBASE, CINAHL, Cochrane, Google, CD-ROM „Milton H. Erickson: Complete Works“, die Bücher „Cheek, D.B. (1994). Hypnosis: The application of ideomotor techniques” und “Rossi, E.L. & Cheek, D.B. (1988). Mind-body therapy: Methods of ideodynamic healing in hypnosis”. Art der benutzten Dokumente: Originalarbeiten, Reviews, Sekundärliteratur, CD-ROM, Bücher. Ergebnisse und Diskurs: Fallserien und Fallberichte belegen die Wirksamkeit von Hypnose bei der individuellen Patientin mit gynäkologischen Symptomen. Bei der einzigen randomisierten, kontrollierten Studie liegen erhebliche methodische Mängel vor. Forderungen hinsichtlich Forschungstrends: Eine generelle Akzeptanz für den Einsatz von Hypnose bei gynäkologischen Symptomen erfordert Effektivitätsstudien innerhalb eines naturalistischen Settings, das der Hypnose als einem Prozess zwischen Personen und nicht zwischen Person und Symptomen angemessen ist.

Schlüsselwörter: Hypnose, Hypnotherapie, Gynäkologie, Medizin, Psychotherapie

Wolfgang Schulze, Klinikum Bayreuth

Hypnose in der Palliativmedizin
Hypnose-ZHH
, 2010, 5(1+2), 145-162

These: Hypnose/Hypnotherapie ist ein exzellentes Tool für das Management verschiedener Situationen in der Palliativmedizin und sollte (auch in Deutschland) breitere Anwendung finden. Darlegung: Bisher haben sich die moderne Hypnotherapie und die moderne Palliativmedizin weitgehend nebeneinander entwickelt, in Deutschland fast ohne Querverbindungen, aber mit vielen Parallelen u.a. in Bezug auf Menschenbild und Ziele, die den Einsatz der Hypnotherapie in der Palliativmedizin geradezu herausfordern. Standpunkt des Autors: Die Anwendungsmöglichkeiten der Hypnotherapie lassen sich in den palliativmedizinischen Kontext übertragen. Eigene Erfahrungen und Literaturberichte zeigen die gute Nutzbarmachung der Hypnose zur Behandlung der typischen, in der Palliativmedizin vorkommenden Symptome wie z.B. Schmerzen, Dyspnoe, Übelkeit. Darüber hinaus eignet sich die Hypnotherapie sehr gut zur psychischen und existenziell-spirituellen Begleitung in der letzten Lebensphase, bietet Hilfe zur Akzeptanz der zum Tode führenden Erkrankung und beim Abschied von Lebensmöglichkeiten und von Angehörigen und entfaltet auch ein (psycho-)therapeutisches Potenzial bei den für diese Patienten sehr begrenzten Zeitressourcen. Diese guten Möglichkeiten der Hypnotherapie für die Palliativmedizin werden leider in Deutschland derzeit noch kaum genutzt. Schlussfolgerung: Palliativmediziner sollten die hervorragenden Möglichkeiten der Klinischen Hypnose zur ganzheitlichen Betreuung von Patienten in der letzten Lebensphase kennen und anzuwenden lernen, Hypnotherapeuten sollten ihre Möglichkeiten für die Betreuung auch von Palliativpatienten nutzen. Beide sollten die Forschung auf diesem Gebiet intensivieren.

Schlüsselwörter: Palliativmedizin, Hypnose, Hypnotherapie, Symptomkontrolle, Schmerzen, Dyspnoe, Strahlentherapie, Spiritualität

Burkhard Peter, München

Konstruktion von Symptomgestalt und Symptomträger: Zwei hypnotherapeutische Strategien bei chronischen Schmerzpatientent
Hypnose-ZHH
, 2010, 5(1+2), 163-178

These: Die hypnotherapeutische Behandlung chronischer Schmerzpatienten erfordert in der Regel mehr therapeutischen Aufwand als die bloße Anwendung von Hypnose und Selbsthypnose. Darlegung und Standpunkt des Autors: Ideal wäre, solche Patienten darin zu unterweisen, jene hirnphysiologischen Prozesse zu verändern, die für die Wahrnehmung und Verarbeitung von Schmerzen verantwortlich sind. Da es dafür keine direkte sprachliche Handlungsanweisung gibt, kann diese Unterweisung nur mit Hilfe von Metaphern und Ritualen vorgenommen werden. Folgerungen für die Praxis: Eine mögliche und effiziente Strategie für eine symptomorientierte Behandlung ist die Konstruktion einer „Symptomgestalt“, d.h. der Umleitung der Schmerzwahrnehmung auf andere, leichter modifizierbare Sinnesmodalitäten. Wenn eine problemorientierte Behandlung nötig ist, wird die Externalisierung auf einen „Symtomträger“, d.h. auf das Bild einer anderen, wiederum leichter veränderbaren Person vorgenommen. Zusammen mit der Visualisierung eines „Anti-Symptomträgers“ als Stellvertreter möglicherweise abgewehrter Tendenzen kann dann ein zugrunde liegender Konflikt aufgearbeitet werden, ohne dass unnötige Widerstände evoziert werden. Der Zustand der Trance erleichtert die Anwendung dieser Strategien; eine gewisse Imaginationsfähigkeit ist aber unabdingbar.

Schlüsselwörter: chronische Schmerzpatienten, Hypnose, Hypnotherapie, „Schmerzgestalt“, „Symptomträger“

Katharina Tigges-Limmer und Jan Gummert, Ruhr Universität Bochum

Hypnotherapeutische Interventionen in der Herztransplantation
Hypnose-ZHH
, 2010, 5(1+2), 179-197

These: Die Herztransplantation in ihren verschiedenen Phasen bedeutet für den Patienten eine massive Herausforderung für Körper und Psyche. Gerade in der Akutphase der Transplantation, die durch starke körperliche Beeinträchtigungen, emotionale Hochspannung und affektive Krisen ausgezeichnet ist, können hypnotherapeutische Interventionen teilweise auch jenseits verbaler Kommunikationsmöglichkeiten sowohl konflikt- als auch ressourcen- und zukunftsorientiert äußerst hilfreich sein. Beispiele: In den verschiedenen Phasen der Herz-Transplantation (Diagnose-, präterminale, Transplantations- und Nachsorgephase) können unterschiedliche psychische Belastungen zum Tragen kommen, die mit verschiedenen hypnotherapeutischen Interventionen behandelt werden können. Es lassen sich sowohl direkte Induktionen (z.B. zur Biopsie, Einschwemmkatheter) als auch indirekte Induktionen (z.B. zur Entscheidungsfindung, Bewältigung der Wartezeit, Bewältigung von ICD-Auslösungen, Organintegration, Bewältigung von Phantasien zum Spender) anwenden. Folgerungen: Die Möglichkeit und Notwendigkeit einer psychologischen Mitbehandlung herztransplantierter Patienten ist im Transplantationsgesetz verankert. In der klinischen Praxis erscheint es ausgesprochen hilfreich, hypnotherapeutische Interventionen in den Transplantationsprozess einzubinden, um eine bessere Krankheitsbewältigung zu begünstigen.

Schlüsselwörter: Herztransplantation, Hypnose, hypnotherapeutische Interventionen

Hansjörg Ebell, München

Hypnose und Selbsthypnose als wesentliche Elemente der therapeutischen Kommunikation mit chronisch Kranken
Hypnose-ZHH
, 2010, 5(1+2), 199-216

These: Die Verwendung von Hypnose und Selbsthypnose für chronisch Kranke erfordert eine mittel- und langfristige Perspektive der individuellen Zusammenarbeit. Therapeuten befinden sich dabei weniger in der Macher-Rolle, sondern sind als „Wegbegleiter“ gefragt, als Kundschafter mit guten Ortskenntnissen und Fähigkeiten, um mögliche Veränderungen zu erforschen. Darlegung der These: Der intersubjektive Austausch im Kontext einer therapeutischen Beziehung - eine gemeinsame Erkundungsreise mit dabei gewonnenen Erfahrungswerten und Erkenntnissen von Betroffenen und Therapeuten - geht weit über die konzeptionelle Ver- wendung der Hypnose als Arbeit mit positiven Suggestionen (Interventionsmodell) hinaus. Die therapeutische Kommunikation fokussiert darauf, eine passive Grundhaltung und die damit verbundene Rolle als hilfloser Patient zu überwinden, Erfahrungen von Selbstkompetenz und Selbsteffizienz zu fördern und das Coping insgesamt nachhaltig und langfristig zu verbessern. Standpunkt des Autors: Bestimmend für jedwede Entwicklung sind sowohl die Ressourcen als auch die Hindernisse und Schwierigkeiten der Betroffenen, ihr Potential zu verwirklichen. Alle Beteiligten werden dabei immer wieder an objektive und subjektive Grenzen stoßen: Es lohnt sich jedoch, in jedem Einzelfall zu ermitteln, wo diese genau verlaufen (Fallbeispiele). Schlussfolgerung: Hypnose und Selbsthypnose helfen Therapeuten und Patienten, gemeinsam notwendige Lernprozesse kreativ und konstruktiv zu gestalten, insbesondere, was den Umgang mit Leiden und Beschwerden durch Symptome einer Erkrankung (z.B. Schmerz) anbetrifft, aber auch mit vielen anderen wichtigen Themen (z.B. Ohnmacht und Hilflosigkeit). Im Kontext einer Psychotherapie im eigentlichen Sinne sind Hypnose und Selbsthypnose dazu geeignet, Themen und Therapieziele zu ermitteln, die persönliche Entwicklungsschritte fördern, den Lernprozess weiter zu verfolgen und letztendlich erfolgreich abzuschließen.

Schlüsselwörter: Hypnose, Selbsthypnose, chronische Erkrankung, Coping, therapeutische Kommunikation

Jochen Hefner, Universitätsklinik Tübingen

Hypnose in der Medizin ist wirksam - Evidenz und Effizienz
Hypnose-ZHH
, 2010, 5(1+2), 217-235

Inhaltlicher Umfang: Im folgenden Beitrag sollen Studienergebnisse zur Anwendung der Hypnose in der modernen Medizin reflektiert und die Frage erörtert werden, welchen Beitrag diese prinzipiell sehr alte Heilmethode im Kontext der heutigen High-End Medizin leisten kann. Zeitrahmen der Veröffentlichungen: Die Übersicht bezieht sich im Wesentlichen auf Arbeiten der letzten 20 Jahre. Herkunft und Art der Veröffentlichungen: Als Quellen fungierten deutsch- und englischsprachige Originalarbeiten, Fachbücher, elektronische Datenbanken sowie (elektronische) Veröffentlichungen von Fachgesellschaften aus der psychosomatischen, der somatischen und der Suchtmedizin. Ergebnisse: Die Ergebnisse sprechen eindeutig dafür, dass die Hypnose bei bestimmten Indikationen therapeutisch wirksam ist. Zudem können modernste medizinische Verfahren wie invasive diagnostische Eingriffe, Operationen, Stammzelltransplantationen oder in-vitro Fertilisationen durch deren Einsatz sinnvoll ergänzt und ökonomischer gestaltet werden. Diskussion der Ergebnisse: Zahlreiche Arbeiten bestätigen die Wirksamkeit und die Effizienz der Hypnose bei medizinischen Fragestellungen. Leider hat selbst die Anerkennung der Hypnose als wissenschaftliche Methode bisher kaum zu einer bedeutsamen Wahrnehmung und Anwendung im medizinischen Alltag geführt. Folgerungen: Zukünftige klinische Studien, deren Designs den heutigen methodischen Ansprüchen entsprechen, sowie das wachsende Interesse der Grundlagenforschung könnten zu einer größeren Akzeptanz der Hypnose innerhalb der High-End Medizin mit beitragen.

Schlüsselwörter: Hypnose in der Medizin, Evidenz der Wirksamkeit, wissenschaftliche Anerkennung der Hypnose, effizienter Einsatz in Krankenhaus und Praxis

Winfried Häuser, Klinikum Saarbrücken

Ist Hypnotherapie eine etablierte Behandlungsmethode in der Inneren Medizin?
Hypnose-ZHH
, 2010, 5(1+2), 237-252

Inhaltlicher Umfang: In einer systematischen Übersichtsarbeit wurde untersucht, ob Hypnotherapie bei Erkrankungen oder diagnostischen Verfahren der Inneren Medizin eine etablierte Behandlungsmethode ist. Methode (Zeitrahmen und Herkunft der Veröffentlichungen): Eine Literaturrecherche in der Datenbank Medline wurde am 11.07.2009 mit folgender Suchstrategie durchgeführt: „Hypnosis“ [Mesh] AND „Review“ [Publication type]. Für Erkrankungen oder diagnostische bzw. therapeutische Verfahren der Inneren Medizin, für die systematische Übersichtsarbeiten gefunden wurden, wurde in Medline nach Metaanalysen gesucht und auf der Datenbank der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher Fachgesellschaften (AWMF) überprüft, ob Hypnotherapie bei diesen Indikationen in Leitlinien der Entwicklungsstufe 3 empfohlen wird. Ergebnis: Die Literatursuche in Medline ergab 751 Treffer. Aus der Inneren Medizin wurden systematische Übersichtsarbeiten zu Hypnotherapie beim Reizdarmsyndrom, funktioneller Dyspepsie, Fibromyalgiesyndrom, Asthma bronchiale, Diabetes mellitus, chronischen Schmerzsyndromen, Nebenwirkungen von onkologischer Therapie, Palliativtherapie sowie Endoskopie gefunden. Metaanalysen wurden für das Reizdarmsyndrom und chemotherapieinduziertes Erbrechen gefunden. Eine Empfehlung zum Einsatz von Hypnotherapie fand sich nur in den S3-Leitlinien zum Reizdarm- und Fibromyalgiesyndrom. Schlussfolgerung: Beim Reizdarm- und Fibromyalgiesyndrom kann Hypnotherapie zu einer in der Inneren Medizin etablierten Behandlungsform werden. Weitere hochwertige randomisierte kontrollierte Studien und das Engagement von Hypnotherapeuten bei der Entwicklung medizinischer Leitlinien sind notwendig, um dieses Ziel zu erreichen.

Schlüsselwörter: Hypnose, Innere Medizin, Reizdarmsyndrom, Fibromyalgiesyndrom, systematische Übersicht, Leitlinie

Walter Tschugguel, Medizinische Universität Wien, und Sabine Tschugguel, Universität Wien

Die Problematik des Wirksamkeits- und Effektivitätsnachweises der Hypnotherapie in Studien – Eine Anregung
Hypnose-ZHH
, 2010, 5(1+2), 253-269

These: Die aus der pharmazeutischen Forschung abgeleitete Methode der randomisierten, kontrollierten Studie ist der klinischen Hypnoseforschung nicht angemessen. Darlegung der These: Hypnose ist ein therapeutisches Verfahren, das auf Beziehung, persönlicher Entwicklung und Kontext aufbaut. Im Gegensatz dazu wird die wissenschaftliche Legitimität der Hypnose mittels Studien argumentiert und beworben, deren Methoden idealerweise den Methoden gut kontrollierter, pharmazeutischer Studien entsprechen. Standpunkt der Autoren: HypnoseForschung, welche die der Hypnose wesentlichen Kriterien – Beziehung, persönliche Entwicklung und Kontext – untersucht, kann keinesfalls diese ihre wesentlichen Kriterien vernachlässigen und sich darauf beschränken, Effektstärken zu messen. Folgerungen: Hypnose-Forschung sollte adäquate Methoden verwenden, die sich nicht nur auf die Naturwissenschaft stützen, sondern Phänomenologie und Hermeneutik (Verstehen) einbeziehen. Diese Methoden sind bereits Teil moderner Psychotherapieforschung.

Schlüsselwörter: Hypnose, Hypnotherapie, Wirksamkeit, Effektivität, RCT, Forschungsparadigmatik, Psychotherapieforschung

Susanne Merl, Goldbergklinik Kehlheim

Hypnose in einer geburtshilflichen Notfallsituation. Ein Fallbericht
Hypnose-ZHH
, 2010, 5(1+2), 271-277

Eine 44-jährige Patientin wird in der 30. Schwangerschaftswoche vom Hausarzt wegen hohen Blutdrucks und Verdacht auf Präeklampsie ins Krankenhaus eingewiesen. Ängste und Verunsicherung der Patientin sowie die Aufregung aller Beteiligten in dieser Notfallsituation verstärken die Symptomatik. Die Autorin, Dienst habende Ärztin, nutzt primär das psychophysiologisch beruhigende Potential der therapeutischen Kommunikation bzw. von beruhigender und kompetenter Zuwendung. Als zur Sicherheit des Kindes eine Verlegung im Notarztwagen in eine andere Klinik notwendig wird, begleitet sie die Patientin auf der Fahrt. In Hypnose, durch die angebotenen Suggestionen, verwandelt sich das „reale“ dramatische Geschehen der Notarztfahrt für die Patientin in das Erleben eines erholsamen Ausrittes mit einem Pferd, gestützt auf ihre Erfahrungen während eines Urlaubs auf der Insel Forteventura. Bei Ankunft in der Klinik, nach Reorientierung, fühlt sie sich „entspannt und ruhig wie nach einem Kurzurlaub“. Die Blutdruckwerte sind zwar noch nicht normalisiert, aber deutlich gebessert. Ein optimales Ergebnis. Überlegungen zur Integration hypnotherapeutischer Kommunikation im Kreißsaal („Die Wehe ist eine Welle, die kommt und geht und unterstützt das Baby auf seinem Weg in die neue Welt.“) sowie zum Einfluss der gewonnenen Erfahrungen auf ihre Praxis und professionelle Selbstwahrnehmung schließen sich an.

Schlüsselwörter: Fallgeschichte, Hypnose, Geburtshilfe, Gestose

mit einem Nachwort von Hansjörg Ebell

Der Heidelberger Hypnoseprozess 1936

“Eine Frau sieben Jahre unter hypnotischem Einfluß. Eine schamlose Ausbeutung vor der Aufklärung?” Teil 2
Hypnose-ZHH
, 2010, 5(1+2), 299-303; Fortsetzung von Teil 1: Hypnose-ZHH, 2009, 4(1+2), 237-251